Im Urlaub ist alles lockerer als zuhause im Job? Okay – beim Sport duzt man sich öfter als im „normalen“ Alltag. An der Strand- oder Poolbar geht es ebenfalls leger zu –und das verführt rasch zum allgemeinen Duzen. Gerade wenn Sie sich nicht auf Portugiesisch, sondern eher Englisch verständigen: Da fällt es Ihnen gar nicht auf, weil Sie jeden praktisch „duzen“. Bei uns ist es völlig normal, Freunde und Bekannte nicht mit dem (wie Sie vielleicht finden: viel zu steifen und förmlichen) „Sie“ anzureden. Doch dieser private Fettnapf, in den man gerade als Urlauber, aber auch als Auswanderer schnell tappt, ist ein wenig heikel.
Was tun, wenn die Marktfrau plötzlich "Liebling zu Ihnen sagt?
Wenn die Marktfrau plötzlich „Liebling“ zu Ihnen sagt…
Wenn ein älterer Herr oder eine ältere Dame Sie duzt, bedeutet das keinesfalls, dass Ihnen damit das „Du“ angeboten wurde. Hier gilt dann: Der/die Ältere (weil er eben „weiser“ und erfahrener ist) duzt den Jüngeren, der/die Jüngere siezt Ältere und zeigt damit seinen Respekt. Es kann Ihnen übrigens passieren, dass die Bäuerin auf dem Markt oder der Postbote Sie mit menina oder querido (querida) anredet – übersetzt also etwa „junge Dame“ (wörtlich: „Mädchen“) oder „Liebling“, aber dennoch selbstverständlich siezt. Das ist keine Respektlosigkeit, ganz und gar nicht. Nehmen Sie es als freundliches Kompliment! So ist es nämlich gemeint.
Eine menina können Sie übrigens mit weit über 60 noch sein. Selbst viel ältere portugiesische Damen, gerade solche „besseren Standes“, lassen sich von ihrer empragada (also der Putzfrau oder Köchin), mit menina anreden: als Form von langjähriger, respektvoller Höflichkeit dem „Fräulein“ gegenüber.
Herr und Frau Ausländer: Sie oder Du?
Viele, gerade residentes aus Deutschland meinen: „Ich wohne seit etlichen Jahren jeweils mehrere Monate in Portugal in meinem eigenen Haus. Meine Frau ist Portugiesin – und ich verstehe wirklich nicht, warum sie unsere Nachbarn immer noch siezt. Ich duze jeden – und gerade unsere portugiesischen Bekannten im Haus nebenan. Unsere Angestellten wie Gärtner oder Putzfrau sowieso! Ist doch alles viel lockerer im Süden!“
Leider ist das nicht richtig. Denn prinzipiell geht man in Portugal eher förmlicher miteinander um. Deswegen aber nicht weniger herzlich! Das „Du“ ist nicht unbedingt und vor allem nicht schnell üblich. Man bleibt sogar oft bei der Anrede in der dritten Person, also beim eher sehr formellen „Sie“. Sogar zwischen Bekannten und Nachbarn, die sich kennen und schon jahrelang nebeneinander wohnen.
Ein bisschen ist Duzen und Siezen selbstverständlich alters- und berufsabhängig, und davon, wo man lebt: Jüngere Leute duzen sich schneller (oder von vornherein), in der Stadt siezt man sich weniger als auf dem Land, bei bestimmten Berufsgruppen wie Künstlern, Journalisten etc. ist das Du eher üblich. Trotzdem: Als Portugalanfänger siezen Sie lieber einmal zu viel als unhöflicherweise zu früh zum Du überzugehen.
Alteingesessene residentes wissen noch zu berichten: „Geduzt wurden früher auf dem Land stets nur die ‚Dorfdeppen‘ – und die Fremden, die estrangeiros. Denn die wussten es ja nicht besser…“
Ein bisschen erinnert das an Deutschland: Da neigt man manchmal dazu, Ausländer zu duzen; sogar bei Ämtern und Behörden („Du müssen hier unterschreiben!“). Weil man glaubt, man würde dann besser und schneller verstanden. In Portugal dagegen nennt man Sie Senhora/Senhor estrangeira/estrangeiro. (also „Frau Ausländerin/Herr Ausländer“). Dies klingt in unseren Ohren nicht nur gewöhnungsbedürftig, sondern vielleicht sogar abfällig. Es ist aber nicht abwertend gemeint. Schließlich kennt man Ihren Namen ja nicht, will aber trotzdem höflich sein.
Für uns völlig ungewohnt ist es, dass man sich teilweise innerhalb der Familie siezt. Nicht nur in adeligen oder großbürgerlichen Kreisen, auch auf dem Land ist das hin und wieder heute noch üblich. Jüngere zeigen damit Respekt gegenüber der älteren (und weiseren) Generation. Es ist für unsereinen ziemlich befremdlich, beispielsweise die Schwiegermutter in spe mit dem portugiesischen „Sie“ anzureden und dazu mãe – „Mutter“ – zu sagen. Selbst wenn das Einfühlungsvermögen und Respekt zeigt...
(Dieser Text stammt - mit freundlicher Genehmigung der Autorin - aus dem Buch "Korkesel & Sardinenblüte. Handbuch für den Urlaub in Portugal")
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(ISBN: 978-3-946223-02-3 Printausgabe € 12,-- /eBook € 5,99)