Die erste Republik Portugals war ein Negativbeispiel für unstete und instabile Politik:
Ständige Versuche von den Monarchisten einerseits und Linken andererseits führten in 16 Jahren zu neun Präsidenten und 45 Regierungen.

1926 kam es zum Militärputsch – die republikanische Verfassung galt nicht mehr. Zwei Jahre später trat António de Oliveira Salazar in die Regierung ein. Als Finanzminister ließ er sich unbeschränkte Vollmachten erteilen – und 1932 wird er zum Premierminister. Eine andere Zeit beginnt – Salazars Estado Novo ab 1933 ist nichts anderes als eine Diktatur. 

Salazar bei der Vereidigung als Finanzminister Portugal 1926

Beim Estado Novo handelt es sich nicht – im Gegensatz zu etwa den Diktaturen  Mussolinis, Hitlers oder Francos – um eine Ideologie, selbst wenn sich die neue Verfassung Salazars an den faschistischen Vorbildern Deutschland und Italien orientierte.
Die Idee war eher, Kirche und Militär, Wirtschaft und Großgrundbesitzer sowie die Kolonien, also alles unterschiedlichste Interessengemeinschaften, miteinander auszugleichen. Vor allem die Kirche lag Salazar am Herzen – sie bildete eine der wichtigsten Säulen des „Neuen Staates“. Der Religionsunterricht an den Schulen wurde wieder eingeführt. Erst gegen Ende der Diktatur distanzierte sich die Kirche von Salazar und seinen Ideen.

Vier Jahrzehnte lang beherrschte Salazar die Politik und damit das Leben in Portugal. Mit seiner Proklamation des Estado Novo („Neuer Staat“) errichtete der von der Militärregierung ernannte Ministerpräsident einen kirchlich orientierten faschistischen Ständestaat. Bereits 1930 hatte Salazar diese Ideen propagiert, und in der 1933 diktierten neuen Verfassung wurden sie nun in die Realität umgesetzt:

  • Es gab nur noch eine einzige Partei, die im Parlament zugelassen war, die „Nationale Union“ („União Nacional“), alle anderen Parteien wurden verboten.
  • Die Bürgerrechte wurden eingeschränkt, Zensur der Presse, Bespitzelung, Haft und Folter waren an der Tagesordnung.
  • Man konnte ins Gefängnis wandern, wenn man sitzenblieb, während die Nationalhymne erklang.
  • Es war verboten, nicht-portugiesische Wörter zu verwenden, wenn man für Produkte warb oder eine Speisekarte verfasste.

Salzar versuchte um jeden Preis, das Volk „dumm“ zu halten – seiner Überzeugung nach waren die Menschen allzu leicht anfällig für politische Demagogie. Für die breite Bevölkerung waren lediglich vier Jahre Grundschule zugelassen, mehr als ein Drittel konnte weder lesen noch schreiben. Der Preis war hoch: Wichtige Bereiche wie Soziales und Bildung blieben völlig auf der Strecke. Portugal blieb eines der ärmsten Länder Europas, es galt als rückständig. Wer gebildet und intellektuell war, hatte nur zwei Alternativen: zu schweigen oder in die Emigration zu gehen. 

 

Geheimpolizei, KZ und Amnesty Inernational

Die PIDE („Polícia Internacional e de Defesa do Estado“) ging 1945 aus der PVDE (Polícia de Vigilância e Defesa do Estado) hervor, die bereits 1933 gegründet und von der deutschen Gestapo ausgebildet worden war. Sie sorgte als geheime Staatspolizei dafür, dass Oppositionelle im Gefängnis verschwanden. 

Zwischen 1936 und 1974 gab es auf den Kapverdischen Inseln ein portugiesisches Konzentrationslager, in dem anfangs Oppositionelle inhaftiert waren. Zwischen 1961-74 wurden in  Tarrafal Mitglieder von Unabhängigkeitsbewegungen der afrikanischen Kolonien eingesperrt. Auch dieses KZ wurde von der PIDE geführt. Die Täter wurden übrigens niemals vor Gericht gestellt und mussten sich für ihre Taten nicht verantworten.

Amnesty International wurde übrigens gegründet, weil der britische Anwalt Peter J. Benenson im Jahr 1961 vom Schicksal zweier portugiesischer Studenten erfuhr, die sieben Jahre ins Gefängnis mussten, weil sie in einem Lokal mit dem Trinkspruch „auf die Freiheit“ angestoßen hatten. Das Wort „Freiheit“ (liberdade) war zu jeder Zeit, unter der Herrschaft Salazars, verboten. Die beiden wurden verhaftet und abgeurteilt. 


Peter Benenson (1921-2005) gründete Amnesty International wegen der Inhaftierung zweier Studenten in Portugal.

 

"Neutralität" im zweiten Weltkrieg

Im spanischen Bürgerkrieg (1939-1945) unterstützte Portugal das Regime Francos in Spanien; mehr als 20.000 Portugiesen kämpften angeblich freiwillig auf der Seite Francos. Mit dem Iberienpakt (Bloco Ibérico) wurde 1939 zudem ein Vertrag geschlossen, der Portugal und Spanien zum gegenseitigen Beistand verpflichtete.

Im zweiten Weltkrieg dagegen bewahrte Salazar Neutralität – zumindest unterstützte er die Nationalsozialisten und auch Italiens Mussolini nicht offen. Allerdings verkaufte Portugal das kriegswichtige Edelmetall Wolfram an die Deutschen. Erst auf Druck Englands brach Salazar diese Handelsbeziehungen zu Deutschland ab. Briten (1943) und Amerikaner (ab 1944) hatten auf den Azoren Stützpunkte – dafür garantierten sie Portugal Neutralität. 1949 trat Portugal der NATO bei. 

"Guerra do Ultramar" - Kolonialkrieg in Afrika

In den 50er Jahren hab es erste Lockerungen in der Zensur, Salazar ließ außerdem – vorsichtig geduldet – andere Parteien zu. 1951 hatte Portugal seine Kolonien zu „Überseeprovinzen“ (Províncias Ultramarinas) erklärt.


Die Überseeprovinzen Portugals (Provincias Ultramarinas) im Jahr 1933 

Sie gehörten damit zum Mutterland, hatten aber keineswegs mehr Freiheiten. Die Folgen zeigten sich Anfang der 60er Jahre: Es kam nach politischen Bestrebungen für mehr Selbstständigkeit zu den ersten Unabhängigkeitskriegen in Portugals. Die indische Armee besetzte praktisch im Handstreich Goa (1961)und traf auf praktisch keinen Widerstand. 

Ganz anders entwickelte sich die Situation in Afrika: Fast zeitgleich wie in Indien kam es zum Kampf in  Angola, Guinea-Bissau und drei Jahre später auch in Mosambik. Die Konflikte weiteten sich aus, der Kolonialkrieg (Guerra do Ultramar) tobte an allen Fronten. 

Die Unzufriedenheit in der Armee wuchs ebenfalls: Der Krieg war nicht zu gewinnen; Wehrpflichtige wurden in ihrer zweijährigen Dienstzeit in den Kolonialkrieg geschickt. Es kam mehr und mehr zur Fahnenflucht. Junge Portugiesen gingen lieber ins Ausland als im Lande zu bleiben und in einem sinnlosen Krieg verheizt zu werden.

 

Internationale Isolation und das Ende Salazars

Immer mehr geriet Portugal wegen des Kolonialkriegs in die internationale Isolation: Andere europäische Staaten wie Großbritannien und Frankreich entließen ihre Kolonien in die Unabhängigkeit – Salazar dagegen hielt am portugiesischen Kolonialreich in Afrika fest. 

1968 erlitt Salazar einen Schlaganfall und wurde daher mehr oder weniger gezwungen die Regierungsgeschäfte abzugeben: Sein Nachfolger war Marcelo Caetano.


António Salazar (1889-1970)     Marcelo Caetano (1906-1980)

Auch unter Caetano wurden die Kolonialkriege nicht gestoppt – im Gegenteil: Er ließ den Militärdienst von zwei zunächst auf drei, dann vier Jahre erweitern. Gleichzeitig versuchte er vermeintliche „Reformen“: etwa die Umbenennung der Einheitspartei und der Geheimpolizei. Mehr jedoch – außer der neuen Namensgebung – geschah im Grunde nicht. Bei den Wahlen kamen allerdings zum ersten Mal auch Politiker ins Parlament, die innerhalb der neu benannten Nationalen Aktionspartei (ANP – Acção Nacional Popular) in gewisser Weise eine Opposition bildeten. Sie traten für ein Ende der Kriege und die Unabhängigkeit in den Kolonien ein. Doch noch änderte sich nichts – die Situation innerhalb Portugals verschärfte sich eher: 

  • Der Oppositionspolitiker Mário Soares (später Ministerpräsident und Staatspräsident) wurde 1968 nach São Tomé deportiert.
  • 1972 boykottierten die meisten Staaten während der Generalversammlung der UNO eine Rede des portugiesischen Außenministers wegen der portugiesischen Kolonialpolitik.
  • 1971 und 1972 kam es zu Massakern durch die portugiesische Armee in Mosambik.
  • Im September 1973 endlich wurde die einseitige Unabhängigkeit von Portugiesisch-Guinea erklärt. Der Staat änderte seinen Namen in Guinea-Bissau.
  • 1974 waren vier Fünftel der portugiesischen Armee in Afrika stationiert.

Für die Kolonialkriege in Mosambik, Angola und Guinea-Bissau brauchten die Machthaber Portugals eine Riesenanzahl an Soldaten und Offizieren. Während es früher undenkbar gewesen wäre, auch einfache Soldaten für höhere Dienstgrade auszubilden, war das Ende der 1960er Jahre beinahe der Normalfall geworden: Man hätte sonst einfach zu wenig Offiziere in den Kolonialtruppen gehabt. Die Heimkehrer aus Afrika jedoch waren eher gemäßigt – Gräuel und Gewalt hatten sie im Kolonialkrieg genug gesehen. Sie drängten auf eine Änderung in der Politik.

Das Militär in Portugal war in seiner Meinung durchaus nicht einhellig:
Auf der einen Seite versuchten konservative Generäle, das Rad der Geschichte wieder zurückzudrehen, und sogar die „optischen“ Reformen Caetanos abzuschaffen, vor allem aber am Kolonialkrieg festzuhalten.
Auf der anderen Seite drängten gemäßigte Militärs auf eine friedliche Lösung der Konflikte. Am Ende setzten sie sich durch. In der friedlichen Nelkenrevolution beendeten sie die Diktatur von Salazars Estado Novo und setzen Staatschef Caetano ab. Damit waren sowohl die portugiesische Kolonialgeschichte als auch die am längsten währende Diktatur in Europa beendet.

Auf einen Blick 

  • Militärputsch 1926
  • Ausrufung des Estado Novo 1933
  • Die Geheimpolizei PIDE 1933-1974
  • Spanischer Bürgerkrieg und Zweiter Weltkrieg 1939-1945
  • Kolonialkriege ab 1961
  • Das Ende Salazars 1968
  • Die letzten Tage des Estado Novo bis April 1974

 

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